Die schönsten vietnamesischen Märchen

In den nächsten Monaten stellen wir hier einige der schönsten und bekanntesten vietnamesischen Märchen vor - Märchen, die oft über viele Generationen überliefert wurden und tiefe Einblicke in die Kultur und Werte Vietnams geben:

Tam und Cam - Das vietnamesische Aschenputtel

Es lebte einmal in einem kleinen vietnamesischen Dorf ein liebes, stilles Mädchen namens Tam. Ihre Mutter war früh gestorben und ihr Vater heiratete eine neue Frau, die bereits eine Tochter hatte, namens Cam. Leider war die Stiefmutter böse und bevorzugte ihre eigene Tochter. Tam musste von morgens bis abends schuften, während Cam verwöhnt wurde. Eines Tages schickte die Stiefmutter beide Mädchen los, um Garnelen und Krebse aus dem Fluss zu fangen. Wer den vollsten Korb nach Hause bringen würde, sollte eine Belohnung bekommen. Tam arbeite fleißig und füllte ihren Korb schnell, während Cam faul am Flussufer saß. Doch kurz bevor sie nach Hause gingen, überlistete Cam ihre Stiefschwester: „Tam, dein Haar ist schmutzig. Wasch es doch schnell im Fluss, sonst schimpft Mutter.“ Kaum war Tam am Wasser, schüttete Cam alle Garnelen aus Tams Korb in ihren eigenen und lief lachend nach Hause. Tam weinte am Fluss, traurig über den Verlust ihrer Beute. Da erschien ein alter Mann mit einem langen weißen Bart - ein Weiser, vielleicht ein Geist oder ein Buddha in Menschengestalt. Er sagte freundlich: „Kind, weine nicht. Suche in deinem Korb - vielleicht ist noch etwas übrig."

Tatsächlich fand Tam darin einen kleinen, silbernen Fisch. Der Weise sprach: „Füttere ihn jeden Tag, aber erzähle niemandem davon." Tam tat, wie ihr geheißen. Sie fütterte den Fisch am Fluss, und jedes Mal kam er zu ihr. Doch eines Tages bemerkte Cam das Geheimnis. Sie spionierte ihrer Schwester nach, erzählte es ihrer Mutter, und gemeinsam fingen sie den Fisch - und aßen ihn auf! Als Tam zum Fluss kam, war der Fisch verschwunden. Sie weinte bitterlich. Doch wieder erschien der Weise und sagte: „Der Fisch lebt weiter. Suche seine Knochen, bewahre sie in einem Tontopf und verstecke ihn unter deinem Bett. Er wird dir helfen, wenn du in Not bist." Tam fand die Knochen und tat, wie er gesagt hatte.

Eines Tages rief der König zu einem großen Fest im Palast. Alle jungen Mädchen durften kommen - vielleicht würde er seine Braut dort finden! Tam wollte auch hingehen, doch ihre Stiefmutter gab ihr einen Berg Arbeit: Reis sortieren, Wasser holen, den Hof fegen. Es war unmöglich, rechtzeitig fertigzuwerden. Verzweifelt holte Tam den Tontopf hervor. Plötzlich erschienen Vögel, halfen beim Sortieren, der Besen fegte von allein, das Wasser wurde wie von Zauberhand geschöpft. Und als sie fertig war, fand Tam im Tontopf ein prächtiges Kleid, goldene Schuhe und glitzernden Schmuck. Wunderschön gekleidet machte sie sich auf den Weg. Im Palast war Tam die Schönste, so dass der König nur Augen für sie hatte. Beim Verlassen des Palastes verlor sie in der Aufregung jedoch einen ihrer kleinen, goldenen Schuhe. Der König ließ im ganzen Land suchen: Wem der Schuh passte, sollte seine Königin werden.

Viele Mädchen probierten ihn an - auch Cam, aber niemandem passte er. Als Tam an der Reihe war, glitt der Schuh wie von selbst an ihren Fuß - und der König erkannte sie sofort wieder. Bald darauf heirateten sie, und Tam wurde Königin. Doch ihr Glück wird auf die Probe gestellt. Die Stiefmutter und Cam waren voller Neid. Sie luden Tam nach Hause ein und lockten sie in eine Falle: Beim Baden stieß Cam sie von einem Baum - Tam ertrank. Cam zog das königliche Kleid an und nahm ihren Platz im Palast ein. Aber Tam kehrte zurück - zuerst als Vogel, der dem König schöne Lieder sang. Der Vogel sagte bei einem Mittagessen: „Der König isst, doch denkt er an die Falsche - die Echte ist bei ihm, doch nicht bei Tische."  Der König wurde misstrauisch. Als Cam den Vogel tötete, wuchs aus dem Blut ein wunderschöner Baum mit duftenden Früchten. Eine alte Frau pflückte die größte Frucht - und siehe da, aus ihr erschien Tam wieder - lebendig und schöner denn je. Der König erkannte sie und war überglücklich. Cam aber bekam ihre gerechte Strafe. Manche Versionen sagen, sie wurde vom Blitz getroffen, andere, sie stürzte selbst in einen Kessel mit kochendem Wasser, als sie Tams Schönheit nachahmen wollte.

Moral der Geschichte: Güte, Geduld und Ehrlichkeit triumphieren über Neid, Gier und Bosheit. Auch wenn das Leid groß ist, findet das Gute letztlich doch seinen Weg zurück.