Thanh Giong - Der Bambusjunge
(Das dritte Märchen)
Es war einmal in einem kleinen Dorf nahe Hanoi ein altes Ehepaar. Das wünschten sich sehnlichst ein Kind. Eines Tages fand die Frau im Garten einen riesigen Fußabdruck. Neugierig trat sie hinein - und wurde daraufhin auf wundersame Weise schwanger. Nach vielen Monaten wurde ein Junge geboren. Doch er war anders als alle anderen Kinder. Er sprach nicht, lachte nicht, bewegte sich kaum. Seine Eltern gaben die Hoffnung nicht auf und kümmerten sich liebevoll um ihn.
Als der Junge drei Jahre alt war, verkündete der König eine schreckliche Nachricht: Feinde aus dem Norden - grausame Invasoren - fielen ins Land ein. Niemand konnte sie aufhalten. Der König ließ überall im Land ausrufen: „Wer das Land retten kann, soll sich melden!" Da sprach der stumme Junge plötzlich zum ersten Mal. Er sagte zu seiner Mutter: „Mutter, bitte sagt dem König, er soll mir ein eisernes Pferd, eine eiserne Rüstung und eine eiserne Keule schmieden. Ich werde die Feinde vertreiben!"
Die Eltern und Nachbarn waren sprachlos und taten, was ihnen der Junge sagte. Der König ließ seine Schmiede Tag und Nacht arbeiten. In der Zwischenzeit wuchs der Junge übermenschlich schnell, aß riesige Mengen Reis, wurde groß wie ein Baum und stark wie ein Riese. Als die Waffen kamen, stieg er auf das eiserne Pferd, setzte den Helm auf und ritt in den Kampf. Mit Feuer, Mut und seiner eisernen Keule kämpfte er gegen die Eindringlinge. Überall, wo er auftauchte, flohen die Feinde in Panik. Als seine Keule zerbrach, riss er einen Bambusstamm aus der Erde und kämpfte weiter. Schließlich vertrieb er die Feinde über die Grenze.
Dann ritt er mit seinem Pferd auf den Soc-Son-Berg, winkte dem Volk ein letztes Mal zu und stieg in den Himmel auf. Seitdem wird Thanh Giong als Nationalheld verehrt. In vielen Tempeln wird er bis heute als Symbol für Mut, Vaterlandsliebe und Wunderkraft angebetet. Jedes Jahr im vierten Mondmonat feiern die Vietnamesen zu seinen Ehren ein großes Fest (Hoi Giong), besonders im Dorf Phu Dong, seinem Geburtsort.
Die Moral der Geschichte: Auch der Schwächste oder Unscheinbarste kann zum größten Helden werden. Glaube, Tapferkeit und Liebe zum Vaterland machen Wunder möglich.
